10 Quelle Unfähigkeitmöbel –
An den Rat „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ haben sich die Modedesigner noch nie gehalten. Ob Pflegeprodukte und Parfüms, Reisekoffer, Fahrräder oder Handys – die meisten großen Modehäuser verkaufen inzwischen noch viele andere Dinge außer Bekleidung.

Ein besonders beliebtes Betätigungsfeld für Modemacher, die ihr Repertoire erweitern wollen, ist der Bereich Wohnen. Fast jedes namhafte Modehaus hat inzwischen eine „Home“-Kollektion zu bieten. Und die Anzahl dieser Möbel schöpfenden Modeschöpfer wächst ständig. Ob nun Armani, Versace und Missoni oder Diesel, Esprit und H&M für das jüngere, preisbewusste Publikum – beim Einrichten möchte jeder mitmischen.
„Warum Stilbewusstsein nur in der Garderobe zeigen?“ ist auf der Internetseite von Joop! Living zu lesen. Und Diesel-Gründer Renzo Rosso, der im vergangenen Jahr den ersten Teil der Wohnkollektion „Successful Living from Diesel“ vorstellte, erklärt sein Interesse am Bereich Living folgendermaßen: „Ich glaube, dass heute der Wohnraum – mehr als je zuvor – als Möglichkeit genutzt wird, die eigene Persönlichkeit auszudrücken.“ Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie sieht das ähnlich. „Eine berühmte Modemarke steht für einen bestimmten Lifestyle, für ein bestimmtes Design und für Qualität. Wenn man besonders zufrieden mit einem Modelabel ist, das man trägt, liegt es nahe, sich dieses Lebensgefühl auch nach Hause zu holen“, sagt Geismann.

Die stilistische Ähnlichkeit zwischen Mode und Möbeln aus demselben Haus ist meist recht offensichtlich. So dominieren bei Armani/Casa wie auf dem Laufsteg Eleganz, Understatement und die Farbe Schwarz. In den Heimtextilien von Missoni finden sich die schönen Muster und leuchtenden Farben wieder, die auch in den Modekollektionen zu sehen sind. Das typische Paisley-Muster ist bei Etro auf Kleidung und Möbeln zu entdecken. Auch zeigen die klassischen Wohnkollektionen und das Porzellan von Versace denselben prunkvollen bis protzigen Stil, der üblicherweise mit der Versace-Mode assoziiert wird. Dazu gehören die Medusa und andere Motive aus der griechischen Mythologie, das Mäanderband und ganz viel Gold. Seit Donatella Versace auf schlichtere Entwürfe in der Mode setzt, gibt es auch im Bereich Living moderne, eher zurückhaltende Kollektionen.
Während die modebewussten Käufer ihre Wohnungen und Häuser dem eigenen Look entsprechend einkleiden können, freuen sich die Modefirmen darüber, dass sie nun auch Interior-Design-Liebhaber ansprechen. „Die Modehäuser haben erkannt, dass sie mit der gesetzten Marke neue Zielgruppen erreichen, ihr Geschäftsfeld erweitern und den Umsatz steigern können. Dieses Cross-Marketing mit der Möbelindustrie ist für beide Partner sehr sinnvoll“, sagt Ursula Geismann.

Der Umfang der modischen Home-Kollektionen ist ganz unterschiedlich. Manche Designer verkaufen ausschließlich Heimtextilien oder kleinere Accessoires unter ihrem Markennamen, andere auch Möbel und komplette Einrichtungen. So beschränkt sich zum Beispiel die Living-Kollektion von Marc Jacobs auf Glas und Porzellan. Liebhaber der Marken Armani und Joop! dagegen, können – wenn das eigene Budget es erlaubt – den kompletten Wohnraum im Look des Lieblingsdesigners stylen: Von Küche und Bad über Schlaf- und Wohnzimmermobiliar bis zu Leuchten, Vasen und Bilderrahmen.
Der Einstieg in das Wohnsegment erfolgt meist über Bettwäsche, Tischdecken, Kissen und Handtücher. Denn mit Stoffen kennen sich die Modemacher ja schon aus. Das sagt auch Diesel-Chef Rosso: „Wir haben uns entschieden, unseren neuen Vorstoß in die Welt des Interior Designs mit Textilien zu beginnen, weil diese die größte Ähnlichkeit mit Mode haben.“ Der zweite Teil der Diesel-Home-Kollektion, der im April auf der Mailänder Möbelmesse vorgestellt wird, besteht dann aber aus Möbeln und Leuchten. Einer der weiteren Neuzugänge im Bereich Wohndesign, die schwedische Modekette H&M, startet im Februar 2009 ebenfalls mit einer Heimtextilien-Kollektion.

Für ihre Wohnkollektionen suchen sich die Modemacher meist kompetente Partner, die in diesem Bereich zu Hause sind. So werden die Armani-Küchen von Dada, dem Küchenspezialisten innerhalb der Molteni Gruppe, im typischen Armani-Stil produziert. Missoni hat sich für seine Home-Kollektion mit dem italienischen Familienunternehmen T&J Vestor zusammengetan, das eine lange Tradition im Bereich Heimtextilien vorweisen kann. Oft sind diverse Lizenzpartner für die unterschiedlichen Bereiche einer Designer-Home-Kollektion zuständig. So stammen die Schränke von Joop! vom deutschen Hersteller Nolte, Duschen und Wannen von Koralle und Fliesen von Steuler. Auch Esprit Home hat insgesamt zehn Lizenzpartner, die für unterschiedliche Bereiche wie Badezimmermöbel, Teppiche, Leuchten oder Tapeten zuständig sind.
Ursula Geismann sieht einen Zusammenhang zum „Homing“-Trend, der, laut dem Verband der Deutschen Möbelindustrie, im Jahr 2009 weiter anhalten wird. „Wenn es draußen unübersichtlich ist und alle von der Krise reden, ist man gerne daheim. Und lädt sich Freunde nach Hause ein. Dann investiert man natürlich auch eher in Möbel“, sagt Geismann. Wenn das aktuelle Motto „My home is my castle“ lautet, steigt also das Bedürfnis, dieses Schloss standesgemäß einzurichten.

Ein extravagantes und teures Möbelstück eignet sich natürlich auch als Statussymbol. „Sicher ist die repräsentative Funktion nicht ganz unwichtig, wenn irgendwo am Schrank oder am Polstermöbel dieses kleine Label eines Designers hängt“, meint Geismann. Dafür greifen Liebhaber von Designereinrichtungen dann auch mal tiefer in die Tasche und zahlen knapp 20.000 Euro für ein edles Tagesbett, über 5.000 Euro für eine Teekanne oder 200 Euro für ein bedrucktes Seidenkissen. „Wenn die Käufer ein bestimmtes Image oder einen Lifestyle mit dem Möbelstück verbinden, ist es in dem Moment zweitrangig, zu schauen, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Es kommt dann mehr auf das Label an. Das ist ganz ähnlich wie bei einer teuren Handtasche“, sagt Geismann.
Wenn man in eine Designereinrichtung statt in ein Designeroutfit investiert, hat das den Vorteil, dass Mobiliar meist nicht so schnell aus der Mode kommt. „Möbel sind langlebige Güter“, sagt Geismann. „Die Zyklen – auch in der Entwicklung – sind nicht annähernd so schnell wie in der Mode.“ Der Bereich Fashion hat den Ruf, eher flüchtig und kurzlebig zu sein. Das Wohnzimmer kann problemlos über ein paar Jahre oder gar Jahrzehnte denselben Look tragen. Sicher hat sich noch niemand, der ein Designerbett zu Hause stehen hat, von seinem Besuch ein verächtliches „Das sieht ja so nach letzter Saison aus!“ anhören müssen.