8 Badezimmerspiegel Preise –
Die Oleanderbüsche sehen etwas mitgenommen aus, sie lassen ihre silbrig-grünen Blätter schlaff nach unten hängen. Die lange Anreise aus Italien hat ihnen nicht gut getan. Zu Hunderten wurden sie in die deutsche Hauptstadt gekarrt, um hier, auf einer großen staubigen Brache in Berlin-Mitte, ein wenig italienisches Flair zu verbreiten.

“Parkside Apartments” im Berliner Beisheim-Center: Landeplatz im globalen Reisezirkus
Für eine Nacht soll hier das süße Leben gefeiert werden – “La Dolce Vita”, mit ausgesuchten Weinen, feinem Parma-Schinken, großen Parmesan-Rädern und Scampi vom Grill. Dazu wurden Lounge-Möbel auf einen knarrenden Bretterboden gestellt, von denen aus man Frederico Fellinis gleichnamiges Meisterwerk im Freiluftkino bewundern kann.
“La Dolce Vita” – wenn es nach dem niederländischen Investor Harry van Caem geht, sind ein paar Stunden des angenehmen Lebens bei Weitem nicht genug. Seiner Vision zufolge soll das süße Leben auf ewig Einzug halten in Berlins Mitte – und mit ihm eine wohlhabende Klientel, das sich diesen luxuriösen Lebensstil in der armen Stadt leisten kann.
Van Caem sieht aus wie das Klischee eines millionenschweren Immobilienentwicklers: etwas zu teurer glänzender Anzug, handgenähte Schuhe, randlose Brille, dazu eine leichte Bräune. Er wohnt im spanischen Marbella, das erwähnt er während des 20-minütigen Pressegesprächs gleich zwei Mal.
“Ich bin ein Mann von Welt” soll sein Auftreten suggerieren. Er inszeniert sich als Gönner, der gekommen ist, um der chaotischen, schnodderigen und eher versifften Stadt Berlin glamouröse Weltläufigkeit beizubringen. Zu diesem Zweck hat er eine der letzten Freiflächen in der Nähe des Gendarmenmarktes aufgekauft. Die ersten 10.000 Quadratmeter davon wird er demnächst bebauen mit 72 Nobel-Penthouses und Wohnungen im italienischen Stil, die er “Fellini-Residences” getauft hat.

“Arm, aber sexy”, mit diesem Bonmot des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit kann Van Caem wenig anfangen. Er will internationales Publikum in die Hauptstadt locken, wohlhabende, vielreisende Geschäftsleute, die da wohnen wollen, wo die Trends von morgen gesetzt werden. Sein 40-Millionen-Euro-Projekt “Fellini-Residences” soll nur der Anfang sein. Für die Zukunft träumt er von einem italienischen Viertel auf dem Areal an der Kommandantenstraße Ecke Beuthstraße, samt Luxushotel, Fitnesscenter und Espresso-Bar. Reich und sexy ist seine Devise.
Und nicht nur seine. Tatsächlich entdeckt die Berliner Immobilienbranche derzeit den bisher vernachlässigten Bereich “gehobenes Wohnen” – und baut exklusive Domizile. Nicht wie früher in feinen Vororten wie Grunewald oder Dahlem, sondern mitten in der Innenstadt. Beispiele für neue Edel-Appartements in Bestlage gibt es viele: So entstehen auf dem ehemaligen Tacheles-Gelände an der Friedrichstraße Ecke Oranienburger Straße gerade 160 luxuriöse Eigentumswohnungen nach dem Vorbild der prachtvollen Stadtvillen an der New Yorker Upper East Side.
Fünf-Sterne-Service – in der eigenen Wohnung
Dem großstädtischen New-York-Trend versucht auch das 200-Millionen-Euro-Projekt “Upper Eastside Berlin” an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße zu folgen. Das Gebäude mit 40.000 Quadratmetern für Einzelhandel, Büros und Wohnungen soll Ende des Jahres fertiggestellt werden.
Das Beisheim-Center am Potsdamer Platz lockt schwerreiche Neu-Wohnungseigentümer mit Extras wie einem Doorman und dem Fünf-Sterne-Service des Ritz-Carlton, das sich im selben Komplex befindet.

Das Quartier “Fehrbelliner” nahe dem Zionskirchplatz bietet unter anderem 544 Quadratmeter große XXL-Penthouses mit Wellness-Bereich und Dachgarten an.
Ein ordentlich sanierter Berliner Altbau tut es nicht mehr, die neuen Reichen wollen vollen Komfort, “wie im Hotel”, sagt Van Caem. Für ihn zeigt sich das neben Standards wie Eichenparkett, Terrasse und Kamin vor allem an Details: begehbare Kleiderschränke (“Hat kein einziges anderes Projekt in Berlin!”), beheizte Badezimmerspiegel, schnurlose, in die Wohnungen integrierte Soundsysteme. “Die meisten Entwickler bauen an den Wünschen der Kunden vorbei”, so die Überzeugung des Investors, “deshalb steht noch immer so viel leer”.
Konsequent verspricht sein Prospekt dann auch “filmreifes Wohnen”. Doch die Besichtigung des bisher fertiggestellten “Show Apartments” ist enttäuschend: Der Hang zur neureichen Kulisse ist enorm. “Metropolitan Luxury” nennen Van Caem und sein Interior Designer Eric Kuster ihren auf edel getrimmten Stilmix aus Landhaus- und Klassikelementen. Austauschbarkeit ist hier Programm: “Die Wohnungen könnten überall stehen, in London, Paris oder Amsterdam”, freut sich Kuster. Für die extrem vielbeschäftigte, aber geschmacklich offenbar nicht ganz so individuelle Kundschaft bietet er auch eine komplette Einrichtung an, inklusive Kissen auf dem Sofa und moderner Kunst an den Wänden.
Süßes Leben – bittere Realität
Die Preise sind natürlich hoch – zumindest für Berliner Verhältnisse. Pro Quadratmeter sind in den “Fellini Residences” etwa 4300 Euro fällig. Der Quadratmeter im laut Pressesprecher inzwischen ausverkauften Beisheim-Center kostete gar ab 5000 Euro aufwärts. Über die Obergrenze schweigt er sich allerdings diskret aus. Zum Vergleich: Für die schicken neuen Townhouses am Prenzlauer Berg, einem Prestigeprojekt für das neue Bürgertum, mussten die Käufer im Schnitt 2500 Euro bezahlen. In mittleren Lagen fallen aktuell Preise ab 1500 Euro pro Quadratmeter an.

Das süße Leben – in Berlin schmeckt es oft bitter. Armut, Arbeitslosigkeit und mangelnde Integration von Migranten sind noch immer die Hauptprobleme der Stadt, auch in den Innenstadtvierteln. Hartmut Häußermann, Stadtsoziologe an der Berliner Humboldt-Universität, ist skeptisch, dass die neuen Edeldomizile die Zusammensetzung der Stadtbevölkerung positiv beeinflussen werden: “Das ist keine urbane Bevölkerung, die durch diese Angebote angesprochen wird, sondern ein globaler Reisezirkus, der sich in Berlin lediglich seine Landeplätze sucht.”
Allerdings begrüßt Häußermann, dass sich diese wohlhabende Klientel nicht in den Speckgürteln der Stadt isoliert ansiedelt oder den leerstehenden Altbaubestand aufkauft: “Wenn extra neu gebaut wird, dann hat das wenigstens nicht den Effekt, dass andere, weniger einkommensstarke Schichten verdrängt werden.”
Irgendwie hat es ja was Beruhigendes: Bis der Berliner Quadratmeterpreis das schwindelerregende Londoner Top-Niveau von 36.800 Euro erreicht hat, kann das bisschen Jetset der Stadt der Kreativen erstmal nicht schaden – so er sich denn tatsächlich anlocken lässt. Dann finden die modernen Kunstwerke in den zahllosen Galerien wenigstens endlich mal Käufer und in den Edelboutiquen bleibt nicht mehr alles bis zum Schlussverkauf liegen.
Für das Selbstbewusstsein einer Hauptstadt ist ein bisschen Protz bekanntlich auch nicht schlecht. Die Berliner wussten es schon immer, die Zugezogenen, die sich in ihren Edelappartements mit italienischem, New Yorker, Londoner oder Pariser Flair aus der Retorte umgeben, müssen es erst lernen: Die Berliner Luft, sie ist für alle da, selbst wenn sie nach Gosse riecht und nicht nach Geld.